Forschungsprogramm

I. Positionsbestimmungen jüdischer Intellektueller, Schriftsteller und Musiker nach 1933 im NS-Deutschland im Kontext deutscher und europäischer kultureller Traditionen

Das Arbeitsfeld fokussiert Positionsbildungen und Entwicklungen jüdischer Intellektueller, SchriftstellerInnen und MusikerInnen im NS-Deutschland im Kontext einer kritischen Re-lektüre zeitgenössischer Rezeptionen deutscher und europäischer kultureller Traditionen. Wie grundlegend dabei künstlerisch-ästhetischen Konzepte zur Diskussion stehen mussten, illustriert bereits eine Äußerung des Theaterkritikers Arthur Eloesser von 1927 in der Sondernummer der C.V.-Zeitung zum Thema Unsere Mitarbeit an der deutschen Kultur. Er spricht darin noch in den späten 1920er Jahren von einer „Verschmelzung deutschen und jüdischen Geistes bis zur chemischen Unlösbarkeit der Elemente“ und bezieht sich auf das geistige Erbe von Aufklärung, Klassik und Romantik, dem sich die Mehrheit der deutschen Jüdinnen und Juden mit dem Austritt aus dem Ghetto und dem Eintritt in die bürgerliche Gesellschaft zunehmend verpflichtet fühlte, da es „den vorwärtstreibenden Geistern, den bedürftigen Seelen unter den Juden zuerst Heimat gegeben“ habe. Zahlreiche Forschungen zur jüdischen Kultur der 1930er Jahre sind daher insbesondere in den Geschichts- wie Religionswissenschaften, aber auch vereinzelt in literaturwissenschaftliche Studien vor allem auf die Frage ausgerichtet, wieweit die staatliche Aufkündigung des Emanzipationsgedankens gerade das akkulturierte deutsche Judentum in eine tiefe Krise stürzte und welche Positionsbestimmungen innerhalb einer sich neu konstituierenden jüdischen Gemeinschaft daraus resultierten. Die im Kolleg zentral gestellte Frage nach Gebrochenen Traditionen? knüpft insbesondere im ersten Arbeitsfeld an diese Forschungen an. Sie erweitert sie im Sinne eines sich nach dem Zweiten Weltkrieg theoretisch formulierenden Denkens der Dialektik der Aufklärung in der Frage danach, wieweit literarische Tradierungen deutscher Kultur in den 1930er Jahren bereits kritisch mit reflektierten, dass die Aufklärung als geistige wie soziale Bewegung, die diese Entwicklungen begleitet hat, in ihren Idealen zwar die Gleichheit aller Menschen postuliert, aber im eigenen Ansatz deren Ungleichheit bereits mit begründet hatte. Angesichts der aggressiv antisemitischen Politik des NS-Staates wurde schließlich das Verhältnis zu Traditionen deutscher und europäischer Kultur in den internen wie öffentlichen Debatten der Juden nach 1933 in Deutschland zur zentralen Frage im Prozess der kommunikativen Auseinandersetzung mit einem von außen beschädigten Selbstverständnis großer Teile der deutsch-jüdischen Minderheit. Am Ende eines Transformationsprozesses, dessen Anfänge seit dem Austritt aus dem Ghetto eng mit der geistigen Bewegung der Aufklärung verbunden waren, stand nun für AutorInnen jüdischer Herkunft insbesondere das Verhältnis zu Traditionen deutscher Kultur als solches erneut zur Debatte.

Promotionen im Arbeitsfeld: 

Nach oben scrollen